Beginnend mit dem Jahr 33 u. Z., als Rom den Begründer des Christentums zu Tode brachte, lag die sechste Weltmacht der biblischen Geschichte ständig mit den Christen im Streit. Sie wurden eingesperrt, und einige warf man sogar den Löwen vor. Aber selbst als man ihnen mit dem Martyrium drohte, als menschliche Fackeln Neros Gärten zu erleuchten, ließen die römischen Christen des ersten Jahrhunderts weiterhin ihr geistiges Licht leuchten. Mit der Zeit änderte sich jedoch die Lage.
"Anfang des dritten Jahrhunderts", heißt es in dem Buch From Christ to Constantine, "begann die Kirche geachtet zu werden." Doch die Achtbarkeit hatte ihren Preis — "ein Sinken der Maßstäbe". Folglich "wurde ein christlicher Lebenswandel nicht mehr als Erfordernis für den christlichen Glauben angesehen".
Das Licht des Evangeliums schimmerte nur noch. "Im vierten Jahrhundert", sagt das Buch Kaiserliches Rom, "erklärten die christlichen Autoren nicht nur, daß Christlichkeit und römisches Bürgertum vereinbar seien, sie sahen jetzt sogar in der langen Geschichte Roms die Vorbereitung und den Beginn einer christlichen Welt . . . Das bedeutete nicht weniger als: Rom hat in göttlichem Auftrag gehandelt."
Diese Ansicht teilte der römische Kaiser Konstantin der Große. Konstantin machte 313 u. Z. das Christentum zu einer gesetzlichen Religion. Dadurch, daß er Kirche und Staat miteinander verband, Geistliche in den Dienst des Staates stellte und die Regelung kirchlicher Angelegenheiten dem Staat übertrug, erwies er dem Christentum einen schlechten Dienst.
Bereits Anfang des zweiten Jahrhunderts hatte Ignatius, Bischof von Antiochia, eine neue Methode eingeführt, die Gemeinde zu leiten. Statt einer Gruppe von Ältesten setzte das monarchische Episkopat einen einzigen Geistlichen über jede Gemeinde. Etwa ein Jahrhundert danach weitete Cyprianus, Bischof von Karthago, dieses hierarchische System zu einer monarchischen siebenstufigen Hierarchie aus, in der der Bischof die oberste Stellung einnahm. Unter ihm standen Priester, Diakone, Subdiakone und andere. In der westlichen Kirche wurde später eine achte Stufe hinzugefügt, während die östliche Kirche eine fünfstufige Hierarchie festlegte.
Wohin führte diese mit staatlicher Anerkennung verbundene Kirchenführung? In dem Buch Kaiserliches Rom wird erklärt: "Nur achtzig Jahre nach der letzten großen Welle der Christenverfolgungen begann die Kirche selbst, Ketzer hinzurichten, und ihre Kleriker hatten kaum weniger Macht als der Kaiser." Das hatte Christus bestimmt nicht im Sinn, als er sagte, seine Jünger sollten "kein Teil der Welt" sein und die Welt durch ihren Glauben besiegen — nicht mit Gewalt.
Johannes 16:33: "Ich habe euch diese Dinge gesagt, damit ihr durch mich Frieden habt. In der Welt habt ihr Drangsal, doch faßt Mut! Ich habe die Welt besiegt."
Johannes 17:14: "Ich habe ihnen dein Wort gegeben, doch die Welt hat sie gehaßt, weil sie kein Teil der Welt sind, so wie ich kein Teil der Welt bin."
Lange vor Konstantin war die christliche Religion bereits durch heidnisches Gedankengut verfälscht worden. Die mythischen Götter Griechenlands, die einst einen starken Einfluß auf Rom hatten, beeinflußten auch die christliche Religion. "Als Rom zum Imperium wurde", heißt es in dem Werk Roman Mythology, "wurde Jupiter mit dem griechischen Zeus gleichgesetzt . . . Später wurde Jupiter als Optimus Maximus angebetet, als der Beste und Größte, eine Bezeichnung, die ins Christentum übernommen werden sollte und in vielen Inschriften vorkommt." Die New Encyclopædia Britannica schreibt: "Im Christentum überlebten die griechischen Helden und sogar Götter als Heilige."
Wie der Autor M. A. Smith erklärt, bedeutete dies, daß "sich die vielen Göttergruppen vermischten und regionale Unterschiede verschwammen. . . . Man neigte zu der Ansicht, die verschiedenen Gottheiten seien in Wirklichkeit nur verschiedene Bezeichnungen für eine einzige große Macht. . . . Die ägyptische Isis, die Artemis der Epheser und die syrische Astarte könnten gleichgesetzt werden. Der griechische Zeus, der römische Jupiter, der ägyptische Amon-Ra und sogar der jüdische Jahwe könnten als Namen dieser einen großen Macht angeführt werden."
Während das Christentum in Rom mit griechischem und römischem Gedankengut verschmolzen wurde, machte es auch andernorts Wandlungen durch. In Alexandria, Antiochia, Karthago und Odessa — alles Zentren theologischen Wirkens — entwickelten sich unterschiedliche religiöse Richtungen. Herbert Waddams, ehemals anglikanischer Kanonikus von Canterbury, sagt, die alexandrinische Richtung sei zum Beispiel "besonders von platonischen Vorstellungen beeinflußt" worden und habe den meisten Aussagen des "Alten Testaments" eine allegorische Bedeutung zugeordnet. Die antiochenische Richtung verstand die Bibel buchstäblicher und prüfte sie sorgfältiger.
Entfernungen, mangelnde Verständigung und sprachliche Mißverständnisse verstärkten die Unterschiede noch. In erster Linie waren allerdings der Geist der Unabhängigkeit und die selbstsüchtigen Ziele religiöser Führer für die Situation verantwortlich, da sie bereit waren, um persönlicher Vorteile willen die Wahrheit zu verdrehen, wodurch sie das Licht des Evangeliums auslöschten.
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