Mittwoch, 29. Mai 2013
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EINE RELIGIÖSE REVOLUTION – 2. Teil

Martin Luther

Am 31. Oktober 1517 versetzte Luther die religiöse Welt in Aufruhr, als er seine 95 Thesen über den Ablaß an die Tür einer Kirche von Wittenberg anschlug.

Der Ablaßhandel geht auf die Kreuzzüge zurück. Gläubigen, die bereit waren, ihr Leben in einem "heiligen" Krieg aufs Spiel zu setzen, wurde Nachlaß von Sündenstrafen gewährt. Später wurde der Ablaß auch denjenigen erteilt, die die Kirche finanziell unterstützten. Bald war der Ablaß eine willkommene Gelegenheit, Gelder für den Bau von Kirchen, Klöstern und Krankenhäusern zu sammeln. "Die prächtigsten Monumente des Mittelalters wurden auf diese Weise finanziert", sagt Roland Bainton, Professor für Religionsgeschichte, und nennt den Ablaß das "Bingo des 16. Jahrhunderts".

Mit der scharfen Zunge, für die er bekannt war, fragte Luther: "Warum befreit denn der Papst nicht aus dem Fegfeuer rein aus dem Drange heiliger Liebe und bewogen von der höchsten Noth der Seelen — das wäre doch billig Ursache genug für ihn! — wenn er doch unzählige Seelen erlöst um elenden Geldes willen?" Über die Beschaffung von Geldern für den Neubau der Peterskirche sagte Luther, daß, "wenn der Papst den Schacher der Ablaßprediger wüßte, er lieber den Dom S. Petri würde zu Asche verbrennen lassen, als daß derselbe von Haut, Fleisch und Knochen seiner Schafe sollte erbaut werden".

Luther griff auch den katholischen Antisemitismus an und riet, gegenüber den Juden nicht das Gebot des Papstes, sondern Christi Gebot der Liebe zu befolgen. Über die Reliquienverehrung spottete er, daß einer behaupte, eine Feder aus einem Flügel des Engels Gabriel zu haben, und daß der Bischof von Mainz angeblich eine Flamme aus Moses' brennendem Dornbusch besitze. Er fragte, wie es angehen könne, daß in Deutschland achtzehn Apostel begraben seien, wenn Christus doch nur zwölf gehabt habe.

Die Kirche reagierte auf Luthers Angriffe mit dem Bann. Kaiser Karl V. verhängte, sich dem päpstlichen Druck beugend, die Reichsacht über Luther. Daraufhin kam es zu so heftigen Spannungen, daß 1530 der Augsburger Reichstag einberufen wurde, um über die Gegensätze zu verhandeln. Das Bemühen um Zugeständnisse schlug fehl, und so wurde eine grundlegende Erklärung der lutherischen Glaubenslehre verfaßt. Dabei handelte es sich um das Augsburger Bekenntnis, das sozusagen die Geburt der ersten protestantischen Kirche ankündigte.

Ulrich Zwingli

Zwingli hob die Bibel als höchste und einzige Autorität für die Kirche hervor. Er wurde zwar durch Luthers Beispiel ermutigt, lehnte es aber ab, lutherisch genannt zu werden, da er, wie er sagte, Christi Lehre aus Gottes Wort, nicht von Luther, gelernt habe. Auch war er sich mit Luther über das Abendmahl uneinig sowie über das Verhältnis eines Christen zur weltlichen Obrigkeit.

Die beiden Reformer begegneten sich nur einmal, und zwar 1529 beim Marburger Religionsgespräch, das in dem Buch The Reformation in Crisis als "eine Art religiöses Gipfeltreffen" bezeichnet wird. Es heißt: "Die beiden Männer gingen nicht als Freunde auseinander, doch . . . die am Ende des Gesprächs veröffentlichten Artikel, die von allen Teilnehmern unterzeichnet wurden, verbargen geschickt das Ausmaß der Spaltung."

Zwingli hatte auch Probleme mit seinen eigenen Anhängern. Im Jahre 1525 trennten sich einige von ihm, weil sie mit ihm in der Frage des Staatskirchentums uneinig waren, das er bejahte, sie aber verwarfen. Als sogenannte Wiedertäufer betrachteten sie die Kindertaufe als unnütze Formsache und beschränkten die Taufe auf erwachsene Gläubige. Sie lehnten außerdem den Gebrauch von Waffen ab, selbst in vermeintlich gerechten Kriegen. Tausende von ihnen wurden wegen ihres Glaubens zu Tode gebracht.

Johannes Calvin

Viele Gelehrte sehen Calvin als den größten Reformator an. Er verlangte von der Kirche, zu den ursprünglichen Grundsätzen des Christentums zurückzukehren. Aber eine seiner Hauptlehren, die Prädestination (Vorherbestimmung), erinnert an Lehren im antiken Griechenland. Nach Ansicht der Stoiker bestimmte Zeus alles, und der Mensch muß sich dem Unausweichlichen fügen. Diese Lehre ist eindeutig nicht christlich.

In Calvins Tagen wurden französische Protestanten als Hugenotten bekannt. Sie wurden heftig verfolgt. Beginnend am 24. August 1572 mit dem Blutbad der Bartholomäusnacht, schlugen in Frankreich katholische Heere zunächst in Paris und dann im ganzen Land Tausende von ihnen nieder. Doch die Hugenotten griffen ebenfalls zum Schwert und brachten in blutigen Religionskriegen gegen Ende des 16. Jahrhunderts viele ums Leben. So ließen sie die Anweisung Jesu außer acht: "Fahrt fort, eure Feinde zu lieben und für die zu beten, die euch verfolgen".

Calvin gab durch seine Methoden, seine religiöse Überzeugung zu fördern, ein Beispiel, das der protestantische Geistliche Harry Emerson Fosdick als grausam und entsetzlich bezeichnete. Unter der Kirchenordnung, die Calvin in Genf einführte, wurden innerhalb von vier Jahren 58 Menschen hingerichtet und 76 verbannt; Ende des 16. Jahrhunderts waren schätzungsweise 150 auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Zu diesen gehörte Michael Servet, ein spanischer Mediziner und Theologe, der die Dreieinigkeitslehre verwarf, was ihn in den Augen aller zum Ketzer machte. Die katholische Obrigkeit verbrannte ihn in effigie (symbolisch); die Protestanten gingen einen bedeutsamen Schritt weiter und verbrannten ihn auf dem Scheiterhaufen.



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