Mittwoch, 8. Mai 2013
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TAOISMUS – der Weg der Natur

Tao, seit Jahrtausenden Mittelpunkt des chinesischen Denkens, bedeutet "Weg". Im Laufe der Zeit wurde damit die rechte Handlungsweise im Einklang mit der natürlichen Wirkungsweise des Universums bezeichnet. Nach der Überlieferung war der Gründer ein Zeitgenosse des Konfuzius und trug den Titel Laotse, was "betagter Junge" oder "alter Meister" bedeutet. Einige behaupten, Laotse sei so genannt worden, weil er nach einer übernatürlichen Zeugung und einer Schwangerschaft, die sich über Jahrzehnte hingezogen habe, mit altersgrauem Haar geboren worden sei. Andere sind der Ansicht, man habe ihm den Titel aus Achtung vor seinen weisen Lehren verliehen.

Der Taoismus lehrt, daß ein Kind bei der Geburt mit einem gewissen Maß an "Uratem" oder Lebenskraft ausgestattet werde. Durch verschiedene Mittel wie Meditation, die Beachtung von Speisevorschriften, Atemkontrolle und sexuelle Beherrschung könne man ein unnötiges Entweichen dieses "Uratems" vermeiden. Ein langes Leben sei daher gleichbedeutend mit Heiligkeit.

Der menschliche Körper wird als Miniaturuniversum angesehen, das in Harmonie mit der Natur bleiben muß. Damit in Verbindung stehen die chinesischen Begriffe yin und yang, die buchstäblich die schattige und die sonnenbeschienene Seite eines Berges bezeichnen. yin und yang — grundlegend für die gesamte chinesische Philosophie — sind die entgegengesetzten, doch sich ergänzenden Elemente, aus denen alles in der Natur besteht. Die Encyclopedia of Religion erklärt: "yin herrscht in allem vor, was dunkel, schattig, kühl, naß, abnehmend, biegsam, irdisch und weiblich ist, wohingegen yang hell, heiß, trocken, zunehmend, unbeugsam und energisch, himmlisch und männlich ist."

Eine Anwendung dieses Prinzips ist feng-shui, eine Art chinesische Wahrsagerei, die im Deutschen als Geomantie bezeichnet wird. Mit ihrer Hilfe will man eine günstige Lage für Orte und Häuser, besonders aber für Gräber, ausfindig machen. Dadurch, daß die Yin-yang-Kräfte eines in Frage kommenden Geländes mit denen der Bewohner in Einklang gebracht werden, soll deren Wohlergehen gewährleistet werden. Helen Hardacre von der Princeton-Universität sagt, daß die richtige "Verknüpfung der kosmischen Kräfte den Toten nützen und ihren Übergang in eine andere Welt erleichtern soll".

Zwar sollte man sich bemühen, die Yin-yang-Kräfte im Gleichgewicht zu halten, doch ihr Naturzustand darf nicht gewaltsam verändert werden, denn dies gilt als nachteilig — eine Auffassung, die Passivität fördert. Ein alter Mönch erklärte 1986: "Der Taoismus lehrt, ruhig zu bleiben und nichts zu tun, das heißt, alles tun durch Nichtstun." Man hat die Kraft des Taoismus daher mit dem Wasser verglichen; trotz seiner Weichheit nützt es allen Geschöpfen.

Früher war es üblich, zwischen der Tao-Philosophie (4./3. Jahrhundert v. u. Z.) und der Tao-Religion (2./3. Jahrhundert u. Z.) zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist nicht mehr so deutlich, da die Tao-Religion offensichtlich den taoistischen Philosophien, die ihr vorausgingen, entstammt. Hans-Joachim Schoeps, Professor für Religion, sagt, daß der Taoismus als Religion "nichts anderes ist als die Fortführung der uralten chinesischen Volksreligion. Und der Kern derselben ist ein simpler Geisterglaube. . . . Geister nisten überall und gefährden in jedem Augenblick Leben und Gesundheit der Menschen. . . . Im heutigen China ist also der Taoismus abgesunken zu einer Religionsform des Aberglaubens für die breiten Massen."

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