Einen einheitlichen Kanon zu erstellen war nicht immer leicht und manchmal sogar unmöglich. In der Encyclopedia of Religion wird zum Beispiel von der buddhistischen Literatur gesagt, daß sie unter den religiösen Schriften der Welt insofern einzigartig ist, als es eine Reihe von Kanons gibt. Es heißt: "Die Schriftensammlungen weichen erheblich voneinander ab, und es gibt nur wenige Texte, die in jeder Überlieferung zu finden sind." Diese Verwirrung führte zur Bildung von Sekten und zur Entstehung dessen, was als die "achtzehn Schulen" des buddhistischen Gedankenguts bezeichnet wird.
Im Hinduismus dagegen wird ein Unterschied gemacht zwischen einem anerkannten Kanon und anderen Schriften, die einen weniger heiligen Rang haben. Die Gruppe der heiligen hinduistischen Schriften, die Schruti genannt werden, das heißt "Lernen durch Hören", bezeichnet die ursprünglichen Offenbarungen und schließt die Veden und die Upanischaden ein. Die Smriti, was "Erinnerung" bedeutet, ergänzen die Schruti, erklären sie und erweitern sie. Somit werden die Smriti als untergeordnet oder halbkanonisch betrachtet, obwohl die Hindus das, was sie über ihre Religion wissen, zum größten Teil daraus herleiten.
Auch die Christenheit hatte es schwer, einen Kanon für die Bibel aufzustellen. Die katholische Kirche und die meisten orthodoxen Kirchen betrachten einige oder alle der 13 zusätzlichen Bücher als deuterokanonisch, das heißt "zum zweiten (oder späteren) Kanon gehörend". Protestanten bezeichnen sie als apokryph, was ursprünglich "sorgsam verborgen" bedeutete, weil sie nicht öffentlich vorgelesen wurden. Heute legt dies nahe, daß ihre Echtheit zweifelhaft ist. James H. Charlesworth vom theologischen Seminar in Princeton sagt: "Als der Kanon der Schriften festgelegt wurde, zuerst von jüdischen und dann von christlichen Autoritäten, gehörten diese Schriften nicht dazu, und sie verloren rasch an Einfluß und Bedeutung." Erst 1546 zählte sie das Konzil von Trient zum biblischen Kanon.
Das Sprichwort: "Was geschrieben ist, bleibt" deutet an, wie gefährlich es ist, Informationen nur mündlich weiterzugeben. Wichtige Einzelheiten können in Vergessenheit geraten; durch geringfügige Veränderungen können Bedeutungsschattierungen hinzukommen, die ursprünglich nicht beabsichtigt waren. Somit ist es bedeutsam, daß von den heiligen Überlieferungen die Bibel eine der ersten war, die schriftlich festgehalten wurden. Moses vollendete den ersten Teil im Jahre 1513 v. u. Z.
Nicht alle heiligen Schriften erheben Anspruch auf göttliche Urheberschaft oder fordern weite Verbreitung und Zugänglichkeit für alle Völker. Die hinduistischen Upanischaden (was "Nahesitzen" bedeutet) wurden beispielsweise so genannt, weil die Lehrer ihre geheimen Lehren ihren Lieblingsschülern anzuvertrauen pflegten "denen, die ihnen "nahe saßen". "Der Begriff upanisad beinhaltet somit ein esoterisches Element", erläutert die Encyclopedia of Religion. "Die Upanischaden erklären ausdrücklich, daß solche Lehren nicht für das gemeine Volk bestimmt waren, . . . sondern nur von erlesenen Zuhörern gehört werden sollten."
Ähnlich galt der arabische Koran als Buch, das nur für Araber bestimmt war. Und das trotz der Tatsache, daß der Sprecher fast ausschließlich als Gott selbst ausgegeben wird, als der Schöpfer aller Völker. Den Koran in andere Sprachen zu übersetzen gilt als unangebracht; daher darf nur der arabische Text zitiert und für rituelle Zwecke verwendet werden.
Die Bibel macht hingegen deutlich, daß ihre Botschaft nicht einer bestimmten Gruppe vorbehalten ist. Das ist in Einklang mit der Feststellung, daß sie nicht "Menschenwort", sondern das "Wort Gottes" ist.
1. Thessalonicher 2:13: "In der Tat, darum danken wir Gott auch unablässig, denn als ihr Gottes Wort, das ihr von uns hörtet, empfingt, habt ihr es nicht als Menschenwort angenommen, sondern als das, was es wahrhaftig ist, als das Wort Gottes, das auch in euch, den Gläubigen, wirksam ist."
Ihre Befürworter bemühen sich um eine weite Verbreitung des Buches und argumentieren, jeder habe das gleiche Recht, aus den weisen Worten seines Schöpfers Nutzen zu ziehen. Bis zum Ende des Jahres 1987 war die ganze Bibel oder Teile davon in 1 884 Sprachen oder Dialekte übersetzt worden. Im Jahre 1977 wurde die Verbreitung der Bibel vom Book of Lists auf 2,46 Milliarden Exemplare geschätzt, doch, wie es hieß, ist es höchstwahrscheinlich richtiger, von 3 Milliarden zu sprechen.
Der englische Philosoph Alfred Whitehead schrieb 1933: "Keine Religion kann getrennt von ihren Anhängern betrachtet werden." Demgemäß kann eine Religion auf der Grundlage, welche Art Menschen sie hervorbringt, als wahr oder falsch, gut oder schlecht beurteilt werden. Und natürlich werden die Gläubigen von ihren heiligen Schriften "in dem Maße, wie sie ihre Lehren anwenden" geformt.
Heilige Schriften sollten die rechte Anleitung geben.
2. Timotheus 3:16, 17: "Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich zum Lehren, zum Zurechtweisen, zum Richtigstellen der Dinge, zur Erziehung in der Gerechtigkeitdamit der Mensch Gottes völlig tauglich sei, vollständig ausgerüstet für jedes gute Werk."
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